Dienstag, 17. Januar 2017

Zwei kleine Kuriositäten

Letztens hatte ich ja ein paar Worte zu meiner aktuellen Seminararbeit zu Anne de Bretagne bzw. ihrem Stundenbuch gepostet.
Während meiner Recherche bin ich natürlich auf der Suche nach vergleichbaren Bücher, ähnlichen Motiven usw. um das Werk kunsthistorisch einordnen zu können.

Dabei bin ich auf das Stundenbuch der Katharina von Kleve gestoßen. Es wurde um 1430 von einem unbekannten Meister in niederländischer Maltradition geschaffen und befindet sich heute in der Pierpont Morgan Library unter den Signaturen ms. 917 und ms. 945. Das ist recht ungewöhnlich, aber ein Kunsthändler hatte das Buch geteilt um zwei Teile gewinnbringend verkaufen zu können. Beide Teile gelangten separat in die Sammlung der Bibliothek und wurden erst später wieder vereint. Deswegen ist bis heute der eine Teil paginiert, der andere foliiert. Deswegen orientiere ich mich an der Abbildungszählung in John Plummer (Hrsg.): Die Miniaturen aus dem Stundenbuch der Katharina von Kleve. Berlin 1966.

So viel aber erstmal zum Hintergrund...es ging ja um zwei Kuriositäten!

Ersteinmal die beiden Seiten, es geht um
Die Heilige Familie bei der Arbeit, Ms. M 917, S. 149
Bei Plummer Abb. Nr. 92

Es ist eine Zeigenössische Darstellung der Heiligen Familie in ihrem Alltag. Die Darstellung ist dem Alltag einer Familie mit einer großen Liebe zum Detail nachempfunden. So sind zB die Fäden am Webstuhl Mariens einzeln nachvollziehbar und auch die anderen Handarbeitsutensilien hinter ihr sind gut erkennbar. Das war mir alles nicht fremd, allerdings bin ich an der Darstellung des Jesuskindes hängen geblieben:
Er steht in einem Laufwägelchen. Man sieht die Räder und sogar die kleinen Keile zum Sichern derselben. Außerdem sind die Streben mit kleinen Rillen geschmückt.
Bisher habe ich so etwas noch nie gesehen und mir auch noch nie Gedanken darüber gemacht, von daher fand ich die Abbildung doch überraschend.

Und nun zum zweiten Teil:
Darstellung zweier Heiligen mit Waffenschmuck,
Plummer Abb. 123
 Dann bin ich darauf gestossen. Im hinteren Teil des Stundenbuchs sind viele Heilige abgebildet, die von sehr kreativen Marginalien umrahmt werden. Da gibt es zB Muscheln, Vogelkäfige, einen Rosenkranz, Münzen, Brezeln und viel mehr zu sehen. Dabei ist auch kein direkter Zusammenhang zwischen den Marginalien und den abgebildeten Heiligen zu erkennen. Auf der Abbildung oben ist mir jedoch einer der Bögen aufgefallen:

Ein Holzbogen, in der selben Größe abgebildet wie die anderen auch, allerdings sind die Arme in der Mitte von einem Metallstück mit Loch zusammengehalten. Wie die modernen Kinderbögen mit den Saugnapf-Pfeilen. :D
Und auch die Sehne ist deutlich anders. Zwei Schnüre, in der Mitte verstärkt mit einem Quadrat und einem Kreis. Praktisch gesehen würde ein ein solches Konstrukt nur aus Sehnen nicht die Form halten. Dazu müssten mindestens an den Dreiecken oben und unten eine starre Querverbindung eingearbeitet sein. Der Ring ist auch so groß...ich denke man könnte vielleicht etwas breitere Bolzen damit schießen. Müsste man mal testen!

Zusammenfassend muss ich sagen: Ich bin weder Spezialist für Kindergeschichte noch für Waffengeschichte. ;) Aber meine (oberflächlichen) Nachforschungen haben bisher auch noch gar nichts zum Thema ergeben. Ihr seid also herzlich eingeladen euch mit mir ein wenig zu wundern oder, falls ihr Experte für eines der Fachgebiete seid, mit einen Tipp zu geben, wo ich Informationen dazu finde :)

EDIT: In den Kommentaren hat Stefan ein paar tolle Anmerkungen gemacht :) Sobald ich aus dem gröbsten Stress raus bin, mache ich mich an die Recherche dazu! Jetzt hat es mich echt gepackt und ich wills wissen :D

1 Kommentar:

  1. Der "Bogen" sieht vermutlich deshalb komisch aus, da es sich dabei um die Wurfarmkonstruktion eines Balesters (auch: Balläster, Schnepper, Kugelarmbrust) zu handeln scheint. Normalerweise ist sowas auf einem ähnlichen Schaft wie eine Armbrust angebracht. Es handelte sich dabei in erster Linie um eine Jagdwaffe, frühere Modelle die anscheinend auch Bolzen als Munition verwendet haben, gab es in China. Bei uns soll das Teil erst im 16. Jh. vorkommen, deshalb wäre das hier eine sehr sehr frühe Abbildung.

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